Ich traf Justus Ruppert zum ersten Mal in Künstler’s Weinbar in München, als ich deren Eröffnung fotografisch dokumentierte. Wir waren uns auf Anhieb sympathisch und kamen ins Gespräch, schließlich schoss ich ein Portrait von ihm. Damals hatte ich noch keine Ahnung, auf welchem Level er als junger Winzer agierte. Ich hatte das Identity Design für die Weinbar verantwortet und das feine Gespür für exzellente Weine von Sommelier Michi Künstler kennengelernt.
Ein halbes Jahr später meldete sich Justus bei mir und fragte mich um Rat. Er hatte eine Agentur damit beauftragt, das Corporate Design des Weinguts weiterzuentwickeln und eine neue Website zu konzipieren. Diese Agentur hatte bereits reichlich Erfahrung mit dem Thema Wein und schöne Projekte realisiert, aber es hakte ein wenig in der Kommunikation zwischen den beiden.
Einige Wochen später war die Zusammenarbeit von Weingut und Agentur jedoch vollends ins Stocken geraten, die Kommunikation eingefroren und Justus verzweifelt. Er fragt mich, ob ich das Projekt an mich nehmen könne und wolle. Ich hatte Bedenken, aus mehreren Gründen. Zum Einen übernehme ich ein halbfertiges Projekt eines anderen Kreativen nur ungern, da Ideen und gestalterische Ansätze nicht „auf meinem Mist gewachsen“ sind. Zum Anderen fühlt es sich falsch an, als würde man eine Art von Ehrenkodex verletzen. Ich riet Justus also, erneut das Gespräch mit der Agentur zu suchen und die Situation zu klären. Um einen sauberen Schnitt machen zu können, sollten beide Seiten ihr Einverständnis geben und die rechtliche Situation klären. Bedeutet: Buyout, Handshake und Servus.
Mit dieser klaren Trennung konnte ich mich auf das Projekt einlassen.
– Klare Kommunikation ist essenziell. Und schwierig, auch für Kommunikationsdesigner. Für uns ist Vieles oft so selbstverständlich, dass wir davon ausgehen, unsere Auftraggeber müssten alles verstehen. Es ist eine Arbeit mit Leidenschaft und Herz, keine schnöde Dienstleistung, aber leider auch nicht frei vom Ego. Im Umgang mit Kreativen unerfahrene Kunden wiederum trauen sich bei Unklarheiten nicht zu fragen, haben Schwierigkeiten mit konstruktivem Feedback oder bringen uns unbewusst nicht die Wertschätzung entgegen, die wir gerne hätten. Eine kreativen Partnerschaft, die exzellente Ergebnisse zu Ziel hat, muss sich „einspielen“ und von persönlichen Befindlichkeiten befreien. –
Was wir brauchen? Am besten alles aus einer Hand.
Keine halben Sachen. So kann man die Haltung der Rupperts beschreiben wenn es um den Veränderungsprozess ihrer Corporate Identity und die Kommunikation nach außen geht. Was Menschen in ihrem Umfeld und auch einige ansässige Winzer mit Kopfschütteln honorierten, nenne ich mutig und richtig. Warum an einer alten Hose rumflicken? Das macht die Hose nicht besser, sie hält nur noch ein wenig länger.
Also wurde alles angepackt.
Identity Design für Ruppert-Deginther. Ein neues Familienwappen. Logo, Schriften und Farben. Etiketten und Kapseln. Visitenkarten, Briefpapier, Kuverts und Rechnungspapier. Mappe und Expertisenblätter. Verpackungen. Roll-up-Displays und Preislisten. Kellnermesser und Korken. Stempel und E-Mail-Signaturen. Produktshootings. Anzeigen. Eine Website samt Content.
Bei dieser Vielfalt an unterschiedlichen Leistungen ist oft Teamarbeit gefragt. Kommunikationsdesigner, Texter, Fotograf und Webdesigner arbeiten dann Hand-in-Hand. Entsprechend komplex sind auch die Abstimmungsprozesse, ein nicht unerheblicher Zeitfaktor, den es einzukalkulieren gilt. Für kleinere Unternehmen wie das Weingut Ruppert-Deginther ist es daher ein Segen, einen qualifizierten Generalisten beauftragen zu können, der (fast) alle Bereiche abdeckt. Der Vorteil: ein Ansprechpartner, kurze Abstimmungswege, Vertrauensbasis.
Ein Redesign ist eine Entscheidung mit Tragweite. Alles muss angefasst, angepasst, neu gestaltet werden. Es ist eine bedeutende Investition, verbunden mit dem Wunsch, möglichst lange „etwas davon zu haben“. Im Idealfall einen möglichst schnellen Return-on-invest (kurz: ROI) in Form von Umsatzsteigerung. Wie immer im Leben gibt es keine Garantien, aber Stellschrauben. Kein kreativer Prozess, keine Weiterentwicklung ohne Vertrauen.
– Ich bin gerne Generalist und habe viele Talente. Als Scanner-Persönlichkeit möchte ich meine Fähigkeiten am liebsten immer umfassend einbringen. Die Vorteile für KundInnen: das Vertrauen ist bereits aufgebaut wenn weitere, kreative Aufgaben erledigt werden müssen und ich bin „eingegrooved“. Keine Erklärungen „von vorn“ und keine lange Einarbeitungszeit.
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Was ist machbar mit einem überschaubaren Budget?
Ein wichtiger Posten im Investitionsplan: Marketing und Kommunikation. Justus sagte mir einmal, er könne den Nutzen einer Erntemaschine sehr viel besser begreifen, als den eines neuen Corporate Designs. Ich verstehe das und es gehört zu den Aufgaben eines Kreativen, seine(n) Arbeit(saufwand) verständlich zu erklären. Einen Ausblick zu geben, wohin die Entwicklung gehen und welche positiven Effekte sie mit sich bringen wird. Zu überzeugen, die Unsicherheit zu nehmen.
Ich bin ehrlich. Natürlich träumt jeder Designer von einem nahezu grenzenlosen Budget, mit dem sich all die großartigen Ideen verwirklichen lassen. Doch die Wirklichkeit sieht meistens anders aus. Der Auftraggeber muss haushalten, so wie wir alle. Das ist wichtig und richtig.
Auch mit überschaubarem Budget können Projekte von hoher Qualität entstehen, mit Abstrichen bei Umfang und Experimentierfreude.
– Mit begrenzten Budgets lassen sich anspruchsvolle Designprojekte realisieren. Wichtig ist die klare Kommunikation vorab. Was hat Priorität und wo kann man eventuell Abstriche machen? Wie lassen sich Prozesse verschlanken oder welche Aufgaben kann der/die UnternehmerIn selbst leisten? Ein ehrliche Auseinandersetzung mit Anspruch und Wirklichkeit hilft dabei.
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In kleinen Schritten zum Ziel – ein Reifeprozess.
Wo fängt man an wenn im Grunde alles gleichzeitig gebraucht wird? Beim Identity Design für Ruppert-Deginther ging der Impuls vom Wunsch nach einem Redesign der Website aus. Es war aber allen Beteiligten klar, dass wir uns erst um „das Fundament“ kümmern mussten. Die Kreativen der Agentur hatten einige vielversprechende Ansätze entwickelt und diese einfach zu verwerfen war keine Option. Die Kluft zwischen dem alten Corporate Design und dem zukünftigen, bereitete den Rupperts jedoch Bauchschmerzen. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und lässt Vertrautes ungern los. Wir beschlossen, uns in einem Abstimmungsprozess der kleinen Schritte weiterzubewegen.
Zwischen „zu radikal“ und „aus der Zeit gefallen“. Wo fühlen wir uns wohl?
Ich erinnerte mich an Brad Frosts „Atomic Design Methodology“, einen modularen Ansatz für die Entwicklung von UI-Design-Systems. Warum nicht die Prinzipien aufs Identity Design anwenden? Also begann ich mit den „Atomen“, den einzelnen Elementen des Familienwappens, und modernisierte dieses behutsam. Parallel dazu entwickelte ich ein Farbsystem für Print und Screen und suchte eine passende Corporate Font Family. Das Familienwappen integrierte ich wieder ins Logo (die Agentur hatte es „eliminiert“) und dieses wiederum in eine Logo-Komponente fürs Weinflaschenetikett. Dieses sollte aus Kostengründen in einer einzigen Variante auf vier unterschiedlichen Flaschentypen (Schlegel, Bordeaux-, Burgunder-, Literflasche) gelabelt werden und gleichermaßen gut aussehen.
Ein gewisser Zeitdruck entstand als klar war, der Restbestand an alten Etiketten wird bald aufgebraucht sein. Wir mussten also Corporate und neues Etiketten Design parallel entwickeln. Geschäftsausstattung, Imagebroschüre und alles andere wurden hintenangestellt.
In enger Abstimmung mit den Experten von Krämer Druck besprachen wir das Design und die technische Umsetzung der gewünschten Veredelungen vorab. Deren Inhouse-Farblabor mischte unsere Farbpalette individuell zusammen und gab uns Muster zur Kontrolle. Beim Etikettendruck für Weine geht es immer um sehr hohe Auflagen, da die Grundkosten enorm und kleine Stückzahlen nicht rentabel sind. Dementsprechend nervös waren Justus und ich, als wir zur Druckabstimmung zu Krämer Druck nach Bernkastel-Kues reisten. In einem mehrstündigen Prozess wurden letzte Feinheiten in Andrucken angepasst und dann die Freigabe erteilt. Hier hat sich einmal mehr gezeigt, wie wichtig ein erfahrener und verlässlicher Druckpartner ist.
Die fertigen Etiketten dienten dann als Referenz für weitere Printmedien. Wir suchten eine Entsprechung zur Tönung und Haptik des Etiketten-Papiers, um damit Visitenkarten, Briefpapier, Imagebroschüre und weitere Printprodukte drucken zu können. So bekam das Weingut Schritt für Schritt ein neues, stimmiges, mit einer klaren Linie versehenes Erscheinungsbild.
– Das komplette Redesign eines Weinguts ist eine herausfordernde und spannende Aufgabe. Es ist ein ständiges Abgleichen des Designs für Digital und Print, für so unterschiedliche Medien wie Weinetiketten, Verpackungen, Korken, Broschüren oder eine Website. Meine langjährige Erfahrung und eine gehörige Portion Gelassenheit halfen mir dabei. Jetzt habe ich Lust auf weitere „Wein-Design-Projekte“.
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Kommunikationsmanagement.
Ich würde lügen zu behaupten, zwischen den Rupperts und mir lief immer alles glatt. Natürlich gab es gelegentlich Meinungsverschiedenheiten auf inhaltlicher und organisatorischer Ebene. Mir ist es aber stets eine Anliegen, mich in die Perspektive meines Gegenüber zu versetzen. Empathie ist eine enorm hilfreiche Qualität im kreativen Prozess. Unternehmer*innen in ihren Nöten zu verstehen und zu spüren, was sie gerade brauchen, dazu sollte jeder Designer in der Lage sein. Diese weichen Skills wie Fürsorge und Verständnis sind für mich ebenso wichtig, wie das Beherrschen meiner Gestaltungswerkzeuge.
Gleichzeitig sehe ich mich als Designer in der Pflicht, eine gewisse Arbeitsethik zu vertreten. Ein möglichst effizientes Projektmanagement anzustreben. Auch mal Antreiber zu sein wenn zum Beispiel Rückmeldungen oder Hausaufgaben ausstehen. Klartext zu reden wenn der Prozess ins Stocken gerät. Klare Kommunikation muss nicht bequem sein oder schmeicheln, sie soll Orientierung und Struktur geben.
Zusammenarbeit auf Augenhöhe.
Früher habe ich mich in die Rolle des Weisungsempfängers gefügt. Ich dachte, das müsse so sein, der/die Auftraggeber*in bezahlt mich ja schließlich für meine Arbeit. Heute arbeite ich anders weil ich verstanden habe, dass nur eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe wirklich gute Ergebnisse erzielen kann. Gegenseitiger Respekt und Vertrauen entstehen nicht bei einem Gefälle. Mit der Familie Ruppert habe ich ein Verhältnis aufbauen können wie ich es mir wünsche.
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Gute zwischenmenschliche Kommunikation ist keine Selbstverständlichkeit. Sie benötigt Aufmerksamkeit und Selbstreflexion. Kommunikation ist Arbeit und Management.
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Die neue Website vom Weingut Ruppert-Deginther. ReThinking. ReDesign.
Die alte Website musste dringend überarbeitet werden. Design, Inhalte und Technik entsprachen nicht mehr dem heutigen Stand und konnten das Weingut nicht angemessen repräsentieren. Technische Defizite wie fehlendes Responsive-Verhalten und mangelhafte DSGVO-Konformität erzeugten Handlungsbedarf.
Aus Gründen der Flexibilität und Selbstermächtigung empfahl ich den Umstieg auf WordPress. Regelmäßige Content-Updates bezüglich neuer Auszeichnungen durch die renommierten Wein-Guides sowie Hinweise auf Events/Verkostungen lassen sich mit einem Content Management System erheblich schneller umsetzen. Ein zukünftiger Aus- und Umbau der Website wird erleichtert.
Ziel des Relaunchs war neben der Modernisierung auch die Verbesserung der Leadgenerierung.Call-to-Action-Komponenten, die den Abruf von Weinpreislisten pushen sollten, erfüllen heute ihren Zweck.
Content Produktion mit neuer Informationsarchitektur und Tonalität.
Die ursprüngliche Direktive „Inhalte übernehmen“ musste aus gutem Grund schnell verworfen werden. Und so wuchs die neue Website während ihrer Entwicklung immer weiter. Während manche Bereiche bewusst reduziert gehalten wurden, bekamen andere mehr Aufmerksamkeit und eine detailliertere Ausarbeitung. Die Seite „Philosophie“ und insbesondere das Kapitel „Nachhaltigkeit“ beschreiben nun wesentlich ausführlicher, was das Weingut Ruppert-Deginther so besonders macht.
Für die Content Produktion stützte ich mich auf mehrere Interviews mit Justus und Milena. Die Extraktion von Kernaussagen lieferte die Grundlage für erste Textfragmente. In mehreren Abstimmungsschritten tasteten wir uns an die finale Version heran. Manchmal waren Abstand und Pausen nötig, um sicher zu sein, dass die Texte sowohl inhaltlich stimmig waren als auch emotional den richtigen Ton trafen. Justus Ruppert hatte eine ziemlich genaue Vorstellung davon, welchen Sound seine Ansprache haben sollte und wo seine Grenzen waren. Bescheidenheit und Bodenständigkeit einerseits und klare Kommunikation andererseits ohne pseudokreativen Manierismus.
Zielvorgabe übererfüllt.
Ich denke, wir haben eine Website geschaffen, welche die zuvor entwickelte Corporate Identity gut reflektiert. Sie komplettiert das Identity Design für Ruppert-Deginther. Ein Quantensprung im Vergleich zur alten Website, sowohl inhaltlich, strukturell wie auch visuell. Der Fokus auf Call-to-Action, das Generieren von Leads über die Abfrage der Weinpreisliste, hat sich bewährt. Auch ohne Online-Shop können Stammkunden unkompliziert ihre Bestellungen über das Kontaktformular aufgeben.
Natürlich kann hier und da verbessert werden, aber wir stecken in der Anfangsphase und sammeln Erkenntnisse für die nächste Entwicklungsstufe.
Learnings. Worauf ich beim nächsten Web-Projekt achten werde.
Ich bin Mitglied einer Admin-Gruppe und dort tummeln sich alte Hasen (und erstaunlich viele Häsinnen), von denen manche schon hunderte Websites entwickelt haben. Manchmal fühle ich mich klein, weil ich diese Erfahrung nicht vorweisen kann. Ich lerne ich jeden Tag dazu und verbessere meinen Workflow. Auch das Web-Projekt für Ruppert-Deginther hat dazu beigetragen, meinen Horizont zu erweitern und noch genauer auf Details zu achten.
Ein Hoster, dessen Qualität ich nicht beurteilen konnte und dessen Aussagen ich vertrauen musste. Während die alte Website noch halbwegs akzeptabel lief, häuften sich beim Arbeiten mit der neuen WordPress-Installation die Server-Fehlermeldungen. Was ich daraus gelernt habe? Entweder einen vertrauenswürdigen Hoster wie webgo (Shared Hosting) oder HostPress (Professionelles WordPress Hosting) auswählen oder eine Nach-Aufwand-Position für das Handling mit in die Kalkulation aufnehmen.
Auch ein E-Mail-Setup in WordPress kann schnell Extrastunden bescheren wenn die Mailaccounts bei einem Dienstleister gehostet sind, der vergisst zu erwähnen, dass der zuvor angelegte MS Exchange Admin Account nur empfangen und nicht senden kann.
Das vielversprechende Theme mit nahezu „unbegrenzten Individualisierungsmöglichkeiten“, bei dem einfachste, eigentlich selbstverständliche Features nicht möglich sind. An dessen Entwickler ich mehr Supportanfragen stellen musste, als alle anderen zusammen in den sechs Jahren zuvor. Mein Learning: keine Experimente! Zuverlässige, qualitativ hochwertige Themes verwenden, die sich bereits bewährt haben. Meist reichen zwei. Oder gleich auf höchstem Niveau mit Bricks und Class-Based-Workflow arbeiten.
Der Teufel steckt im Detail. Soll ich als Web-Designer das Teuflische einkalkulieren oder vom Best Case Szenario ausgehen? Vermutlich ist es am klügsten, den/die Auftraggeber*in bereits im Erstgespräch über den dynamischen Prozess des Web Designs aufzuklären. Die technische Komplexität anzusprechen, welche viel Unerwartetes mit sich bringen kann. Zu sensibilisieren.
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Das Weingut Ruppert-Deginther hat eine neue Website. Es war ein weiter Weg, der Ausdauer und intensive Auseinandersetzung verlangte. Die Website ist weit mehr als nur ein Teil der Corporate Identity. Sie ist Kommunikationszentrale des Unternehmens und Empfangshalle für Neukund*innen.
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